SPD-Fraktion stimmt dem Haushalt zu

Veröffentlicht am 23.01.2009 in Fraktion
 

Fraktionsvorsitzender Hans Jörg Fahrner

Schramberg. Die SPD-Gemeinderatsfraktion hat dem städtischen Haushalt für das Jahr 2009 geschlossen zugestimmt. In seiner Haushaltsrede informierte Fraktionsvorsitzender Hans Jörg Fahrner über die Position der SPD. Damit auch die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, sich eine genaues Bild zu machen, veröffentlichen wir hier den Originaltext der Rede:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

„Die Hälfte der Schulbuchweisheit unserer Staatsmänner beruht auf Annahmen, die zu einer Zeit einmal wahr oder halbwahr gewesen sind, nun aber von Tag zu Tag immer weniger wahr werden.“ Dieses Zitat von John Maynard Keynes aus den dreißiger Jahren des vorherigen Jahrhunderts beschreibt die Problematik heutiger Politik aus globaler, wie aus nationaler oder kommunaler Sicht zutreffend.

Die seit 1½ Jahren in den USA zu beobachtende Rezession, verstärkt durch Hypothekenkrise, Bankzusammenbrüche, Automobilkrise und dem drohenden Zusammenbruch der Kreditwirtschaft, weitet sich immer mehr zur Weltwirtschaftskrise aus, deren Ausmaße bereits viele mit der großen Depression der dreißiger Jahre vergleichen. Monatlich verlieren derzeit in den USA ca. 500 000 Menschen ihren Arbeitsplatz, mit zunehmender Tendenz. Immer mehr Menschen sind von Armut betroffen. Der ungezügelte Liberalismus hat sich nicht als die Heilsbotschaft erwiesen. Er hat die Weltwirtschaft an den Abgrund geführt. Die Rezepte von Keynes erfahren eine Renaissance und neue Aktualität. Dies heißt nach Keynes: „Nicht stehenzubleiben, sondern in gemeinsamer Aktivität die Kombination von Globalsteuerung, Marktwirtschaft und Gesellschaftspolitik vorantreiben.“

Gerade unter diesem Aspekt sind die Hoffnungen und Erwartungen an die Politik des neuen US-Präsidenten besonders hoch. Die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Konjunkturprogramme weisen in dieselbe Richtung, wenngleich man einzelne Maßnahmen kritisch hinterfragen muss, wie dies beispielsweise der Bundesvorsitzende der Wirtschaftsjunioren, Stefan Kirschsieper mit seiner Bemerkung getan hat: „Für ein Kind gibt es 100 €, für ein altes Auto 2500 €. Das zeigt wie zukunftsorientiert und sozial in unserem Land gedacht wird.“ (Zitat Ende)

Die Prognosen, unter denen der vorliegende Haushalt 2009 aufgestellt wurde, gingen von einem stabilen Wirtschaftswachstum von ca. 2 % für 2009 aus. Inzwischen ist das Wachstum aufgezehrt und einer zunehmenden Rezession gewichen. Die Folgen der weltwirtschaftlichen Verwerfungen sind bereits heute auch bei uns in Schramberg festzustellen. Mit den Beschäftigten der autozuliefernden und den besonders vom Weltmarkt abhängigen Betrieben sehen wir mit großer Sorge auf den Erhalt der Arbeitsplätze. Uns treibt die Sorge um, dass noch mehr Menschen von Armut erfasst werden, als dies in Zei-ten wachsenden Wohlstandes bereits der Fall war. Schon heute lebt jeder Sechste in Deutschland in Armut und nahezu jeder Fünfte ist armutsgefährdet. „Sind die Eltern arm, bleiben es ihre Kinder häufig auch ihr Leben lang. Wer arm ist, hat es unverhältnismäßig schwerer in der Gesellschaft Fuß zu fassen.“ Dies haben wir in der letztjährigen Haushaltsrede festgestellt, umso weniger dürfen wir heute, vor der zunehmenden Armutsproblematik die Augen verschließen.

Sie, Herr Oberbürgermeister, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, wir in Gemeinderat und Ortschaftsräten und alle, die sich für das Wohl unserer Stadt einsetzen, müssen sich daran messen lassen, wie zukunftsorientiert und sozial wir handeln, für unsere Stadt und für alle, die in Schramberg leben, wohnen und arbeiten, für alle, die in Schramberg ihre Heimat haben oder heimisch werden wollen. Auf einen Nenner gebracht heißt dies für meine Fraktion: Heimat gestalten, zukunftsorientiert und sozial. Unter dieser Prämisse wollen wir den vorliegenden Haushalt betrachten und die Schwerpunkte unserer Politik darlegen.

Der städtische Haushalt 2009 wurde von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, von Herrn Hug und der Presse bereits ausführlich beleuchtet. Um Wiederholungen zu vermeiden, wollen wir uns auf wenige Eckdaten beschränken.
Misst man den Haushalt am Traum des Pharao, gehört 2009 sicherlich noch zu den fetten Jahren. Die Zuführung zum Vermögenshaushalt übersteigt die Mindestzuführungsrate um mehr als 4 Mio. €. Allerdings wird die sich abzeichnende Rezession, abhängig von ihrer Dauer, in den Folgejahren Spuren hinterlassen. Das 2009 geplante Investitionsvolumen in Höhe von 18 Mio. € und bis 2012 mit weiteren 30,1 Mio. € wird mithelfen, die Konjunktur zu stützen und Arbeitsplätze vor Ort zu sichern. Hinzukommen beachtliche investiven Vorhaben der Eigenbetriebe und Stadtwerke sowie privater Investoren aufgrund der Stadtsanierungs- und Stadtentwicklungsprogramme.

Mit dem Stadtentwicklungskonzept 2020 liegt für die Gesamtstadt ein zukunftsorientiertes Programm vor, das wir in seiner Anlage grundsätzlich unterstützen. Die darin formulierten Leitgedanken und Handlungsfelder nehmen die Ergebnisse der mit großem ehrenamtlichem Engagement weiterentwickelten Leitbilder auf. Die professionelle Planung deckt sich mit unserer zukunftsorientierten Vorstellung von „Heimat gestalten“. Soll das Gesamtkonzept verwirklicht werden, müssen die Folgekosten heutiger Investitionen möglichst gering gehalten werden. Dies gilt vor allem, für die Erneuerung des Hallenbades. Wir meinen, wir sollten uns auf die Planung eines Sportbades mit einem Schwimmerbecken und einem Multifunktionsbecken mit Hubboden für den Schwimmunterricht, Wassergymnastik und Bewegungstherapien konzentrieren und auf alle anderen Bereiche verzichten. Diese sind die in den Badeanlagen der Umgebung größer und vielseitiger vorhanden. Die eingesparten Folgekosten können u. a. für die Freilegung der Bachlandschaft, die Gestaltung von Freiräumen und Spielplätzen sinnvoll eingesetzt werden. Wir sind deshalb gespannt, zu welchem Ergebnis die geplante Bürgerversammlung zum Hallenbad führen wird.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
aufgrund des demografischen Wandels und anderer gesellschaftlicher Veränderungen befinden sich die Kommunen in einem verstärkten Wettbewerb um Einwohner. Der Vortrag von Prof. Rainer Prewo hat dies jüngst eindrücklich unterstrichen. Kommunen, denen es gelingt, die notwendige Infrastruktur zu schaffen, um Menschen heimisch werden zu lassen, zählen letztlich zu den Gewinnern.

Deshalb sind wir besorgt, wenn beispielsweise die Agentur für Arbeit ihren bisherigen Standort in Schramberg schließt und nur noch ein begrenztes Beratungsangebot anbietet. Wir sind sehr besorgt über die Pressemeldungen zum Krankenhaus. Die wohnortnahe stationäre Krankenversorgung muss erhalten bleiben. Dafür setzen wir uns ein.

Verstärkt wird diese Sorge durch die bereits früher erfolgte Verlagerung von Dienstleistungseinrichtungen. Wir erinnern nur an die Forstverwaltung, das Vermessungsamt und an die Ausdünnung der Polizeidienststellen. Auch bei der Einrichtung neuer Schularten hat Schramberg häufig das Nachsehen. Der Abbau von Dienstleistungsangeboten schadet nicht nur dem Gedanken einer bürgernahen Verwaltung, er schadet auch nachdrücklich dem Wohn- und Geschäftsstandort Schramberg. Wir können nicht weiter hinnehmen, dass Schramberg in erheblichem Maße die Kreisumlage finanziert, dafür Dienstleistungen abgezogen und am Standort der Kreisverwaltung zentriert werden.

Heimat hat mit Identifikation zu tun. Ist Identifikation erschwert, orientiert man sich anderswohin. Heimat gestalten ist deshalb für uns die zentrale Aufgabe der Zukunft. Sonst werden wir weiter Einwohner und Steuerkraft verlieren, um nur einen Aspekt zu benennen.

„Heimat gestalten“ ist ohne Familien- und Kinderfreundlichkeit nicht denkbar. Unsere kinder- und familienbezogenen Zielsetzungen werden wir deshalb mit Nachdruck weiterverfolgen.

Der Haushalt weist die Schaffung von vier bedarfsgerechten Kinderkrippen aus, damit Kinder gut versorgt sind, solange Mütter und Väter arbeiten müssen. Die Umsetzung der Kinderkrippen ist in vollem Gange. Die von uns angeregte Qualitätssicherung in den Kindergärten wird durch die Qualifizierungsoffensive Quobile erfolgreich fortgeführt. Die Neustrukturierung des JUKS mit dem vorliegenden 3-Säulen-Modell aus kommunaler Kinder- und Jugendarbeit, Integration und bürgerschaftlichem Engagement, wird von uns nachdrücklich unterstützt und kommt unserem Bestreben, Heimat zu gestalten, sehr entgegen.

Neuankömmlingen, die ihren Geburtsort und damit ein Stück Heimat zurückgelassen haben, fällt die Integration schwer. Dies trifft vor allem diejenigen, die einen anderen Kultur- und Sprachhintergrund haben und hier zum Teil schon mehrere Generationen wohnen, leben und arbeiten. Die Kinder sind häufig hier geboren, dennoch fallen die Verwurzelung mit der neuen Heimat schwer. Viele Erwachsene sind von der veränderten Arbeitswelt betroffen. Strukturelle Arbeitslosigkeit, Einschnitte in das soziale Netz und zunehmende Verarmung treffen vor allem Menschen mit geringer Ausbildung. Ihre Kinder treffen auf ein Bildungssystem, das die soziale Herkunft nicht zu überbrücken vermag. Wen wundert es, wenn Parallelgesellschaften sichtbar werden und die Integration immer weniger möglich erscheint. Heimat zu finden wird so zur Utopie.

Wer mit dem Gefühl zu leben hat, nicht dazu zugehören, wird nur um Hilfe nachsuchen, wenn die Existenz in Frage gestellt ist. Integration bedarf einer tragfähigen Brücke, die vertrauenswürdig ist und über die man diskriminierungsfrei gehen kann.

Wir setzen uns deshalb für die Einführung eines Familienpasses ein, damit Kinder und Jugendliche, deren Eltern auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes angewiesen sind oder nachweislich über geringes Einkommen verfügen, z. B. kostenfreien Zugang ins Freibad oder Hallenbad, Schullandheimaufenthalt, Schüleraustausch, Mittagessen in Mensa oder in der Ganztagsschule, Besuch der Musik- und Kunstschule, Vereinsmitgliedschaften, für das Ferienprogramm und Veranstaltungen des JUKS, usw. erhalten, ohne als ständige Bittsteller auftreten zu müssen.

„Das gegliederte Schulsystem aus dem vorletzten Jahrhundert ist aus sozialen Gründen nicht zukunftsfähig, hinkt international hinter her, und wirtschaftlich ist es auch nicht.“

So formulierte es Rudolf Bosch, Leiter einer Haupt- Werkrealschule in Ravensburg, zusammen mit 100 anderen Hauptschulrektoren. In dem Schreiben heißt es weiter: „Begabung kann nicht dreigegliedert werden, in Gymnasium, Realschule und Hauptschule. Es ist ein Märchen, dass homogene, gleiche Gruppen besser lernen als andere.“

Wir wollen ein längeres gemeinsames Lernen in einer mindestens 6-jährigen Basisschule ermöglichen, damit Starke und Schwächere voneinander lernen und die soziale Herkunft nicht zu einer Auslese führt, wie dies noch immer der Fall ist.

Wir werden deshalb an die Verwaltung einen Prüfungsantrag mit dem Ziel stellen, ein entsprechendes Schulmodell in Schramberg einzurichten und zu erproben.

Heimat gestalten, zukunftsorientiert, erfordert aus unserer Sicht ein klares Image, das Schramberg zuzuordnen ist und das im Vergleich mit anderen Städten bestehen kann.

Hierzu gehören die wiedergewonnene Attraktivität des Stadtparks, das zukünftige Technikmuseum in Verbindung mit Dieselmuseum und Autosammlung Steim. Unsere kulturellen Angebote, von den Orgelkonzerten, bis zur Bach na Fahrt zählen ebenso dazu, wie die zahlreichen sportlichen Angebote. Hierbei sind wir auf das ehrenamtliche Engagement und die Initiative Privater angewiesen. Die gut besuchte Tourismusveranstaltung vor wenigen Tagen in Tennenbronn hat gezeigt, welche wirtschaftliche stabilisierende Bedeutung der Tourismus in unserer Heimat hat. Eine klare Zielsetzung ist ebenso von Nöten, wie aufeinander abgestimmte Öffnungszeiten der Einkaufs- und Dienstleistungs-angebote und Ruhetagregelungen der Gaststätten. Die Verwaltung sollte ihre Erfahrung als Moderator nutzen, dem Image der Stadt würde ein abgestimmtes Verhalten gut tun.

In der ökologischen Ausrichtung zeigt sich, ob wir bereit sind, zukunftsorientiert zu handeln. Wir wollen Nullenergiehäuser fördern und möglichst viele Solaranlagen ermöglichen. Von daher sind wir gespannt, zu welchem Ergebnis die von uns beantragte Untersuchung geeigneter Dächer in Schramberg führt. Noch immer können wir es nicht nachvollziehen, dass eine Solaranlage auf dem Dach der Grund- und Hauptschule Sulgen mehrheitlich abgelehnt wurde. Wir wollen durch sparsamen Energieeinsatz Natur und Umwelt schonen und dazu beitragen, den CO2-Ausstoß zu verringern. Sollten wie ange-kündigt Mittel aus dem Konjunkturprogramm der Bundesregierung zur Verfügung stehen, sehen wir z. B. an der Graf-von-Bissingen-Schule oder in der Grund- und Hauptschule Sulgen genügend Handlungsbedarf.

Heimat gestalten, zukunftsorientiert und sozial, mit dieser Prämisse wollen wir die Teilnahme am Leben unserer Stadt für alle Altersgruppen ermöglichen und erleichtern und uns dem Wettbewerb mit anderen Kommunen stellen. Diese Vorgabe ist eine Einladung zur Mitwirkung. Sie ist gleichermaßen an Einheimische wie an Zugezogene gerichtet. Wer eine Heimat vorfindet, wessen Bedürfnisse erstgenommen werden, wer sich wohlfühlt, wer gestalten, mitwirken und mitentscheiden kann, wird sich bald heimisch fühlen.

Wir sind überzeugt, dass uns hierbei die Arbeit auch nach der Kommunalwahl nicht ausgehen wird.

Der Haushalt 2009 ist solide finanziert und setzt mit seinen Eckdaten den Handlungsrahmen für eine zukunftsorientierte Politik.
Unsere Anerkennung und unser Dank gelten deshalb Ihnen, Herr Oberbürgermeister, den Fachbereichsleitern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Verwaltung, Stadtwerken und Eigenbetrieben.
Die Kämmerei legt einen ausgeglichenen Haushalt vor. Die finanziellen Notwendigkeiten sind transparent, dass wir diese mittragen können. Hierfür sind wir Ihnen, Herr Hug und Ihrem Team, besonders dankbar.
Gleichermaßen danken wir allen, die im vergangenen Jahr sich für das Wohl unserer Stadt ehrenamtlich eingesetzt und mit uns gut zusammen gearbeitet haben.

Der Dichter Georg Herwegh beginnt einmal ein Sonett mit dem bedeutungsschweren Satz: „O hätten sie mir doch ihr Ohr geliehen…“
Ich jedenfalls bedanke mich bei Ihnen für das aufmerksame Zuhören.

Für meine Fraktion kann ich feststellen, die SPD-Fraktion stimmt dem Haushalt 2009 zu.

 
 

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