Zinell: "Mehr SPD wagen" - Schramberger SPD feiert 125. Geburtstag

Veröffentlicht am 14.10.2013 in Ortsverein
 

Im voll bessetzen Bärensaal hat die SPD ihren Festabend gefeiert. Foto: him

Von Martin Himmelheber / NRWZ
SCHRAMBERG, 14. Oktober - Beeindruckend – so das allgemeine Urteil der Besuche - war die Geburtstagsfeier der Schramberger Sozialdemokraten am Samstagabend im Bärensaal.

Der Schramberger SPD-Vorsitzende Mirko Witkowski erklärte, dass anlässlich der zwei Geburtstage - 150 Jahre Sozialdemokratische Partei Deutschlands und 125 Jahre SPD in Schramberg - die Sozialdemokraten "allen Grund (haben) Stolz zu sein auf eine seit der Gründung unserer Partei ungebrochene demokratische Tradition." Als die SPD gegründet wurde, habe es das 1871 gegründete Deutsche Reich noch gar nicht gegeben, aber unzählige Fürsten.

Die Arbeiter seien es gewesen, die "ihr Schicksal in die Hand nahmen und nicht länger bereit waren, sich knechten zu lassen." Die Sozialdemokraten hätten in ihrer Geschichte immer wieder Unterdrückung erlebt, ob im Kaiserreich, unter den Nazis oder in der DDR, Dennoch seien sie "bis heute aufrecht ihren Wege gegangen und werden ihn auch weiterhin gehen."

Witkowski begrüßte mit Clemens Maurer, der als Geburtstagsgeschenk eine Flasche Schwarzwurz mitgebracht hatte, Bernd Richter, Franz Rapp und Ewald Graf Vertreter aller neben der SPD im Schramberger Gemeinderat vertretenen Parteien und Gruppierungen.

In seinem Festvortrag zu den Anfängen der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie zeigte Stadtarchivar Carsten Kohlmann auf, wie die Bewegung in ganz Deutschland auch im aufstrebenden Industriestädtchen Schramberg ihren Niederschlag fand. Mit dem Blick auf die Traditionsfahne der SPD die die Parole der französischen Revolution "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" mit dem Spruch "Einigkeit macht stark" verknüpft und die ineinander verschränkten Hände als Zeichen der Solidarität zeigt, konnte Kohlmann diese Gemeinsamkeiten demonstrieren.

Denn in einem Buch, das aus der Bibliothek des 1866 gegründeten Arbeiterbildungsvereins Schramberg stammt, findet sich ein Stempel auf dem Titelblatt, der das gleiche Symbol wie die SPD Fahne zeigt: die beiden ineinander verschränkten Hände. Deshalb, so Kohlmann, könne man auch 1886 als Gründungsdatum der SPD in Schramberg annehmen und den nächsten runden Geburtstag zwei Jahre früher schon feiern.

Kohlmann schilderte die Entwicklung der Arbeiterbewegung in einer Stadt, deren Bevölkerung in der Gründerzeit "explosionsartig" angewachsen war.

Mit den Bismarckschen Sozialistengesetzen war die Sozialdemokatie zwischen 1878 und 1890 illegal geworden und dennoch habe etwa der Schreinermeister Leo Ganter 1886 einen Arbeiterverein gegründet, die Keimzelle der Schramberger SPD. Kohlmann erinnerte auch an die Konsumgenossenschaft, die eng mit der SPD verbunden war und beispielsweise im heutigen Modegeschäft Vogelmann einen Laden betrieb.

Eindrucksvoll waren auch Aufnahmen von einer "1. Mai Demonstration" im Jahr 1910, an der 300 bis 400 Schramberger teilnahmen. Insgesamt, so Kohlmann, zeige auch die Geschichte der SPD in Schramberg "wie modern diese aufstrebende Stadt von Anfang an war."

Mit einem Bilderbogen aus den vergangenen 25 Jahren der SPD in Schramberg weckte Werner Klank so manche Erinnerung an vergangene Zeiten und Kämpfe.

Bei einer Talkrunde berichtete die frühere Bundesministerin Antje Huber über ihre Verbindung zur Schramberger SPD und forderte ihre Partei auf, wieder kämpferischer für die Interessen der kleinen Leute einzutreten.

Der SPD-Bundestagskandidat Ergun Can, der bekanntlich in Schramberg aufgewachsen ist, hat die Bundestagswahl für sich persönlich abgehakt. Am 23. Sei er wie immer zur Arbeit gegangen und richte den Blick nach vorn. Die vielen persönlichen Gespräche bei Hausbesuchen – zu denen ihn Antje Huber ermuntert habe - , seien für ihn aber eine große Bereicherung.

Der SPD-Kreisvorsitzende Klaus Engelhardt forderte die Genossen auf, die Partei vom Ortsverein aus zu stärken. Schrambergs erster sozialdemokratischer OB, Professor Roland Geitmann berichtete vom OB-Wahlkampf 1974 und seine durchaus schwierige Amtszeit in der Stadt.

Sein Nach-Nach-Nachfolger Thomas Herzog schließlich erinnerte sich an seine ersten Begegnungen mit Politik, als der damalige OB Reichert auf der Tischneck 1990 vorbeischaute und seiner Mutter eine rote Rose überreichte.

Elke Ringl-Klank stellte die Festschrift vor, die ein Redaktionsteam mit Monika Rudolf, Michael Porzelt und ihr in den letzten zwei Jahren zusammengestellt hatte.

Zu einer besonderen Ehrung kam Hans Uhse auf die Bühne, der 1952 der SPD beigetreten war. Der frühere IG-Metallbevollmächtigte in Schramberg, der auch SPD Vorsitzender in der Stadt war, erhielt die Willy-Brandt-Medaille – das Bundesverdienstkreuz der Partei", wie Herbert O. Zinell in seiner Laudatio meinte.

Hans Uhse dankte seinem langjährigen "Freund Herbert" und erzählte, wie er zur SPD gekommen war: Als er 1953 beim Daimler in Gaggenau eingestellt worden sei, habe ihm ein Betriebsrat gleich einen IG Metallaufnahmeantrag hingehalten: "Hier kommst Du nur rein, wenn Du da unterschreibst." Das habe er getan – "Und gleich daneben stand einer von der SPD…."

Herbert O. Zinell analysierte die Partei und ihre Wählerschaft in einem "Ausblick" überschriebenen Vortrag. Angesichts ihres schlechten Abschneidens am 22. September müsse sich wohl auch die Sozialdemokratie "neu erfinden". Wenn nicht mal mehr die gewerkschaftlich organisierte Arbeiterschaft mehrheitlich SPD wähle, sei das bemerkenswert.

Die Politik der SPD sollte "den Verlierern der neuen industriellen Revolution, die auch Probleme mit der Migration haben, gerecht werden. Die fühlen sich von uns, aber auch von anderen, nicht mehr vertreten und bleiben deshalb zunehmend den Wahlen fern", so Zinell. Die Menschen erwarteten von den Parteien eine klare Werteorientierung.

Das müsse die SPD wieder beleben: "Es gilt gegen die Angleichung der Lebensverhältnisse nach unten einzutreten, um soziale Spannungen, die auch antidemokratische Verhaltensweisen befördern können, anzugehen." Und so forderte Zinell abschließend in Anlehnung an Willy Brandts "Mehr Demokratie wagen" seine Partei auf: "Mehr SPD wagen!"

Mit bekannten und weniger bekannten Liedern aus der internationalen Arbeiterbewegung sorgte die Gruppe Querbeet aus Tennenbronn für den passenden musikalischen Rahmen.

 
 

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