Haushalt: Bewegen uns auf dünnem Eis

Veröffentlicht am 01.02.2011 in Fraktion
 

Fraktionssprecher Hans Jörg Fahrner

Schramberg. In seiner Haushaltsrede hat Fraktionssprecher Hans Jörg Fahrner (SPD) die Schwerpunkte der politischen Arbeit der Fraktionsgemeinschaft SPD-Buntspecht beschrieben. An dieser Stelle veröffentlichen wir die Rede im Originaltext.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

als wir vor einem Jahr den Haushalt 2010 verabschiedet haben, befanden wir uns im Tal der Tränen. Steuerausfälle von rund 10 Millionen Euro hatten die Rücklagen der Stadt aufgebraucht. Eine Kreditaufnahme in erheblicher Höhe wurde zum Haushaltsausgleich erforderlich. Die zuvor eingeleitete Haushaltssperre und das im April 2010 beschlossene umfangreiche Konsolidierungsprogramm dienten der Schadensbegrenzung. Dennoch war zu befürchten, dass die über 20 Jahre gemeinsam verantwortete Sparpolitik, mit dem Erfolg, ohne Kredite auskommen zu können, mit einem Federstrich zunichte war. Die größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit der großen Depression der dreißiger Jahre hat nahezu alle Gemeinden in diese aussichtslose Lage gebracht.

Heute sind die dunklen Wolken noch nicht verflogen. Der Finanz- und Wirtschaftskrise folgte die keineswegs bewältigte Schuldenkrise. Drohende Staatsbankrotte gefährden die Stabilität des Euros in bisher nicht gekanntem Maß und ob die bereitgestellte Unsumme des sogenannten Rettungsschirms ausreicht, ist mehr als zweifelhaft.

Wenn wir heute den Haushalt 2011 verabschieden, bewegen wir uns also auf dünnem Eis. Die wirtschaftliche Lage hat sich im Laufe des letzten Jahres deutlich von der Krise erholt. 30 Prozent geringere Lohnstückkosten als in unseren Nachbarländern und die Konjunkturprogramme der großen Koalition, haben der Wirtschaft die notwendigen Impulse gegeben. So konnten wir trotz Krise die energetische Sanierung von Schulen und anderen städtischen Gebäuden durchführen. Deutsche Exporte sind wieder weltweit gefragt Die Binnennachfrage zieht an. Sie erhellen den Konjunkturhimmel. Schon wird ein Fachkräftemangel beklagt. Die Wirtschaft wächst wie lange nicht, besonders in unserer Region. Gut auszubilden und sichere Arbeitsplätze in einer attraktiven Stadt zu schaffen, muss deshalb unser Ziel sein.

Im vorliegenden Haushalt erreichen die Steuereinnahmen der Stadt zwar noch nicht das Niveau der Jahre vor 2010. Die im April 2010 eingeleitete Haushaltskonsolidierung und die auf das Notwendigste begrenzten Ausgaben und Investitionen sowie die Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer wirken sich so aus, dass der Verwaltungshaushalt 2011 eine Zuführungsrate zum Vermögenshaushalt in Höhe von 5,1 Millionen Euro erwirtschaftet. „Eine Höhe, von welcher man vor einem Jahr noch nicht zu träumen gewagt hätte.“ (Zitat HH-2011). Angesichts der beschriebenen unsicheren Wetterlage begrüßt unserer Fraktionsgemeinschaft, dass 2,4 Millionen Euro der allgemeinen Rücklage zugeführt werden. Dennoch benötigt der Haushalt 2011 zum Ausgleich eine Kreditaufnahme. Durch die FAG-Arithmetik wird es in den nächsten Jahren nicht einfacher, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.
Mit 750 000 Euro ist der geplante Erlebnisbauernhof in Waldmössingen der größte Posten im diesjährigen Investitionshaushalt. Deshalb werden wir diesem Projekt nur zustimmen, wenn die Kofinanzierung steht. Die Bedeutung des Projekts ist unstrittig, geht es doch darum, Schulklassen und Eltern mit ihren Kindern eine nachhaltige Landwirtschaft als Grundlage für unsere gesunde Ernährung bewusst zu machen.

Unsere Fraktionsgemeinschaft trägt den mit Augenmaß aufgestellten Haushalt mit. Wichtig für uns ist, dass trotz des finanziellen Einbruchs beispielsweise der Ausbau von Krippenplätzen und die personelle Erweiterung der Ganztagsbetreuung enthalten sind. Durch die Haushaltskonsolidierung mussten viele Vereine und Gruppen auf bisher erhaltene Zuschüsse teilweise oder sogar vollständig verzichten. Gewohnte Leistungen der Stadt wurden reduziert und geplante Investitionen zurückgestellt. Diese notwendigen Maßnahmen haben den Betroffenen einiges zugemutet und viel Verständnis abverlangt, dessen sind wir uns bewusst. Das solidarische Mittragen der Kürzungen setzt voraus, dass diese zurückgenommen werden, sobald dies finanziell wieder möglich ist. Für das entgegengebrachte Vertrauen, danken wir deshalb allen Betroffenen.

Ihnen, Herr Oberbürgermeister, gilt besonderer unser Dank dafür, dass Sie uns frühzeitig von der Notwendigkeit der Konsolidierung überzeugt haben. In diesen Dank schließen wir ebenso Herrn Moser, Herrn Huber und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, die den vorliegenden Haushalt vorbereitet oder hierzu ihren Sparbeitrag geleistet haben.

Die Europäische Kommission hat 2009 beschlossen, 2011 zum „Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit“ auszurufen, mit dem Ziel, diese zu würdigen und zu fördern. In der EU arbeiten Millionen Menschen aller Altersschichten in ihrer Freizeit unentgeltlich für ihre Gemeinschaften, etwa in Schulen, Jugendclubs, Krankenhäusern oder Sportvereinen, im Umweltschutz, in Sozialdiensten, leisten humanitäre Hilfe im In- und Ausland oder treten für Chancengleichheit und mehr Gerechtigkeit ein.

Die vielen ehrenamtlich Tätigen in unserer Stadt machen unser Gemeinwesen lebens- und liebenswert und somit wertvoll. Deshalb nehmen wir das Europäische Jahr gerne zum Anlass, uns der Würdigung der Freiwilligentätigkeit anzuschließen und allen zu danken, die sich ehrenamtlich in unserer Stadt engagieren. Unsere Fraktionsgemeinschaft würde es begrüßen, wenn die finanziellen Mittel der EU von der einen oder anderen Gruppe beantragt und diese deren Arbeit zu Gute käme.

Das gesamte Spektrum der Freiwilligentätigkeit in Schramberg hervorzuheben, ist in diesem Rahmen nicht möglich. Wenn wir dennoch drei Bereiche nennen, sind wir uns bewusst, dass andere es genauso verdient hätten, hier genannt zu werden.

Für Freiwilligkeitstätigkeit, Hilfeleistung und nachhaltige Entwicklung ist die Schramberger Haitihilfe als besonderes Bespiel zu nennen. Im Gegensatz zum Destaster beim derzeitigen Wiederaufbau nach dem Erdbeben leistet die Haitihilfe dank ihrer Helfer und Spender seit über 30 Jahren kontinuierlich Hilfen bei der Grundversorgung, Bildung und Aufforstung.

Unter dem Synonym „JUKS HOCH³“ wird seit Jahrzehnten eine breitangelegte, vielseitig vernetzte Kinder- und Jugendarbeit praktiziert. Weitere Schwerpunkte sind Menschen die Integration zu ermöglichen und das bürgerschaftliche Engagement zu koordinieren. Diese Arbeit kann nur mit vielen Ehrenamtlichen geleistet werden. Beispielhaft sei hier nur das diesjährige Ausstellungsprojekt „Unser Leben mit CO2“ das im Kontext zum UN-Dekade-Projekt „PRIMA KLIMA“ steht und einen Beitrag zum Automobilsommers 2011 des Landes anlässlich 125 Jahre Automobil leistet.

Die Idee, 5 Jahre Eingemeindung Tennenbronn mit der ortsverbindenden Aktion „auto-freier Sonntag im Bernecktal“ zu feiern, wie von der BDU-Tennenbronn vorgeschlagen, ist mit den bereits genannten Beispielen zweifellos nicht zu vergleichen. Das Protokoll der Ortschaftsrats-Sitzung zeigt, wie selbstverständlich wir uns auf Freiwilligkeitstätigkeit verlassen, darin heißt es: „Der Ortschaftsrat Tennenbronn hat die Intention befürwortet. Dieses Vorhaben soll durch bürgerschaftlich Engagierte vorangetrieben werden.“
Für das Gemeinwohl unserer Stadt sind wir auf Freiwilligentätigkeit angewiesen und der Wunsch mitgestalten zu können, wird weiter zunehmen. Aus unserer Sicht stellen das Streben nach Partizipation und das Einbringen von Kompetenzen und Erfahrungen einen unschätzbaren Wert dar, auf den wir zukünftig noch stärker setzen sollten.

Die Haushaltsrede gibt uns die Möglichkeit, Schwerpunkte und Zielsetzungen zu verdeutlichen und Problemfelder klar zu benennen. Der Verlust von Zentrumsfunktionen in den vergangenen Jahren darf sich nicht fortsetzen. Wir müssen die Attraktivität der Innenstadt steigern und dürfen in unseren Integrationsbemühungen nicht nachlassen. Wir halten den Krankenhausstandort für unabdingbar erforderlich. Dem Einwohnerschwund muss entgegen gewirkt werden. Eine attraktive, kinder- und familienfreundliche Stadt ist deshalb Ziel unserer Politik.

Die finanziellen Einbußen aufgrund des Einwohnerschwunds belaufen sich jährlich allein durch den Steuerausfall auf rund 300 000 Euro. Sie zwingen uns dazu, - gerade weil wir die Folgen der demographischen und gesellschaftlichen Entwicklung kennen -, die Attraktivität unserer Stadt gemeinsam mit der Bürgerschaft zu verbessern. Hierzu wollen wir folgende Punkte genauer in den Fokus zu nehmen.

1. Neue Mitte:
Dass uns der vorliegende Entwurf der Kreissparkasse nicht gerade euphorisch stimmt, haben wir bereits mehrfach deutlich gemacht. Besonders stört uns, dass es keinen Plan gibt, den Platz hinter dem Rathaus autofrei zu gestalten. Die „Neue Mitte“ ist unter urbanen Gesichtspunkten zu sehen. Wir verstehen darunter einen, um das Rathaus autofreien, mit Leben erfüllten Platz, der das Zentrum von Schramberg bildet. Stattdessen diskutieren wir Rampen- oder Treppenvarianten an der Peripherie des hinteren Rathausplatzes. Wir fordern deshalb, uns alternative Planungen für die autofreie Gestaltung des gesamten Rathausplatzes vorzulegen. Dabei ist eine öffentliche Tiefgarage zum Beispiel unter dem Mühlegraben zu prüfen und kostenmäßig zu erfassen. Um die zweispurige Zu- und Ausfahrt zu ermöglichen, würden wir in Kauf nehmen, dass der Baukörper der Kreissparkasse entsprechend in Richtung Rathaus verschoben wird.

2. Gestaltung Marktstraße, An der Steige…
Die Fußgängerbereiche Marktstraße und „An der Steige“ sowie der Hirsoner Platz benötigen zweifelsfrei einen neuen Belag. Die Erneuerung sollte aus unserer Sicht zusammen mit dem hinteren Rathausplatz überplant und einheitlich gestaltet werden.

3. Spielplätze versus bespielbare Stadt
Die Begehung der Kinderspielplätze in den Stadtteilen hat gezeigt, dass bei der Mehrzahl der Zustand nicht zufriedenstellend ist. Die Kinderspielplätze sind in die Jahre gekommen und müssen instand gesetzt werden. Für uns stellt sich darüber hinaus die Frage, ob die Konzeption der Spielplätze, den heutigen Bedürfnissen noch entspricht. Spielende Kinder kommen im öffentlichen Raum immer weniger vor. Diese Erkenntnis führte beispielsweise in Griesheim zur Konzeption einer bespielbaren Stadt. Auf Wegen zur Schule oder Kindergarten wurden zusammen mit den Kindern Spielstationen geplant, fachlich begleitet und eingerichtet. In der Beschreibung des neuen Konzepts heißt es: „Auf diese Weise ist die Stadt nicht nur kindgerechter geworden, sondern die Kinder können jetzt durch ihre Stadt hindurchspielen“. Sicherlich ein Plus für eine lebendige, attraktive und kinderfreundliche Stadt. Wir werden hierzu einen Antrag vorbereiten und vorlegen.

4. Chancengerechtigkeit für Kinder:
Dr. Jürgen Borchert, Richter am hessischen Landessozialgericht in Darmstadt, hat beim Neujahrsempfang des Dekanats Rottweil zum Thema „Was Familie zählt? – Nutzen Staat und Gesellschaft Familien aus?“ folgende ausgeführt: (Zitat) „Wir haben es geschafft, die Zahl der jährlichen Geburten von 1,3 Millionen in den 1960er-Jahren auf 670 000 im vergangenen Jahr zu halbieren – und es gleichzeitig fertiggebracht, den Anteil der Kinder im Sozialleistungsbezug auf das 16-Fache zu steigern“. Weiter sagte er: „Die Verarmung der Familien auf breiter Front, hat verheerende Wirkung auf die Bildungsfähigkeit der Kinder.“ Der eigentliche Skandal ist, dass eine Absicherung der Familie nicht gelungen ist. Debatten über Ausbildungsreife, Schul- und Ausbildungsabbrecher, in denen den Schulen die Schuld zugewiesen wird, erweisen sich als Scheindebatten und lenken vom eigentlichen Problem einer verfehlten Familienpolitik ab.

Deshalb hat für uns eine bezahlbare qualifizierte Betreuung, Erziehung und Bildung in Kinderkrippen, Kindergärten und Ganztagsschulen eine zentrale Bedeutung. Sie kostenfrei anzubieten ist eine soziale Aufgabe, eine lohnende Zukunftsinvestition, sie wäre eine wirkliche Bildungsoffensive. Diese ist von den Kommunen allein nicht zu bewältigen, schon gar nicht in der jetzigen Haushaltslage und dennoch werden wir dieses Ziel im Blickfeld behalten.
Wir halten an unserem Antrag zur Einführung eines unbürokratischen Familienpass fest. Auch wenn das Bildungspaket der Bundesregierung jetzt bei den Kommunen angesiedelt werden soll, ist dieses noch immer mit einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand belastet und die betroffenen Kinder müssen weiterhin als Bittsteller auftreten.

5. Bildungsangebote vor Ort
Sie sind ein wichtiger Standortvorteil. Deshalb freuen wir uns, dass wir in Schramberg ein Technisches Gymnasium erhalten. Die Schule vor Ort ist besonders für die Werkrealschule von Bedeutung. Wenn die Klage der Gemeinde Kusterdingen Erfolg hat, sollten wir den möglichen Verbleib der WRS-Schüler in Tennenbronn nochmals überdenken.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

der Haushalt 2011 ist ein Sparhaushalt, der die Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt hemmt und gewohnte Leistungen einschränkt. Er ist ein Weg zur Genesung, der Patient ist noch aber nicht über dem Berg! Nach Ernst Bloch gilt: „Die Zukunft ist, aber wir haben sie noch nicht!“ Für die gute Zusammenarbeit danken wir Ihnen, den Fachbereichsleitern, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Verwaltung, Stadtwerken und Eigenbetrieben. Gleichermaßen danken wir allen, die im vergangenen Jahr sich für das Wohl unserer Stadt eingesetzt und mit uns gut zusammen gearbeitet haben.

Abschließend kann ich feststellen:
Die SPD-Buntspecht-Fraktionsgemeinschaft stimmt dem Haushalt 2011 zu.

 
 

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