Längeres gemeinsames Lernen bringt mehr Chancengleichheit

Veröffentlicht am 21.03.2009 in Veranstaltungen
 

Schramberg (mp). Bildung ist für die Schramberger ganz offensichtlich ein wichtiges Thema. Beim Stadtgespräch „Schramberg 2020“ vor eineinhalb Wochen diskutierten viele engagierte Bürgerinnen und Bürger über die Bildungslandschaft in Baden-Württemberg und am vergangenen Dienstag folgten wiederum viele der Einladung von SPD-Ortsverein und SPD-Gemeinderatsfraktion, um sich von Rektor Rudolf Bosch, einem der der „Oberschwäbischen Schulrebellen“ über Konzepte für ein längeres gemeinsames Lernen informieren zu lassen.

Die Selektion am Ende der Grundschulzeit ist Hans-Jörg Fahrner, dem Sprecher der sozialdemokratischen Gemeinderatsfraktion ein Dorn im Auge. Seines Erachtens führt sie zu einem ungeheuren Leistungsdruck und zu einer sozialen Ausgrenzung, die für die Kinder, denen eine Förderung durch einen entsprechenden familiären Hintergrund fehlt, eine mögliche Bildungs- und Lernkarriere einschränkt oder gar verhindert. Ein längeres gemeinsames Lernen verbessert nach seiner Aussage dagegen nachweislich die Chancengleichheit.

Ein außerordentlich schlechtes Zeugnis stellte Rudolf Bosch dem dreigliedrigen Schulsystem Baden-Württembergs aus. Als Rektor einer Hauptschule und Vorsitzender des Vereins „Länger gemeinsam lernen“ ist er ein profunder Kenner der Problematik. „Das gegliederte Schulsystem aus dem vorletzten Jahrhundert ist aus sozialen Gründen nicht zukunftsfähig, hinkt international hinterher, und wirtschaftlich ist es auch nicht“, ist er überzeugt. Sein offener Brief an den Kultusminister und den Ministerpräsidenten, den er mit anderen oberschwäbischer Schulleitern vor ziemlich genau zwei Jahren verfasste, hat inzwischen eine Diskussion im Lande ausgelöst, die nicht mehr umkehrbar ist.

Die Hauptschule hat keine Zukunft, davon ist er überzeugt. Besuchten im Schuljahr 1990/91 noch 36,5 % eines Jahrgangs die Hauptschule, sind es heute gerade noch 25,1 % und nach allen Prognosen wird davon bis 2015 noch einmal ein Drittel wegfallen. Die Einstellung der Öffentlichkeit und der Eltern gegenüber der Hauptschule ist schließlich äußerordentlich negativ. Dreißig Porzent der Eltern gehen inzwischen gegen eine Grundschulempfehlung vor und nur acht Prozent der Eltern wählen freiwillig die Hauptschule für ihre Kinder. Und diese Einstellung ist nach Boschs Auffassung verständlich. Verschiedene Studien zeigen nämlich, dass es bei den Schülern der drei Schularten, Realschule und Gymnasium einen großen Überlappungsbereich gibt. Es gibt erstaunlich viele Hauptschüler, die auch den Stoff des Gymnasiums packen könnten.

Mit mancher Mär räumte Robert Bosch im Laufe seines Vortrags auf, beispielsweise mit der „Mär vom erfolgreichen Schulsystem in Baden-Württemberg“ oder von der „Durchlässigkeit des dreigliedrigen Schulsystems“. Wie Recht er damit hatte zeigte darin, dass nur zwei Tage nach seinem Vortrag die viel zu geringe Aufnahmekapazität der beruflichen Gymnasien durch die Presse ging. Auch die „Mär vom Erfolg homogener Leistungsgruppen“ hatte vor Bosch Augen keinen Bestand: Obwohl Bayern die schärfste Selektion vornimmt, stehen in den unterschiedlichsten Pisatests international gesehen sieben Länder mit integrativen Schulansätzen vor dem deutschen Pisa-Primus. Auch die Bildungsforschung hat bis heute keine wissenschaftliche Begründung für ein dreigliedriges Schulsystem gefunden.

Die Schule der Zukunft stellt sich Robert Bosch als „Haus des Lernens“ vor, eine echte Ganztagesschule, in der Starke und Schwache voneinander und miteinander lernen ,und Lehrer zu Lernbegleitern werden, die dafür sorgen, dass jeder individuell gefördert wird. Statt Sitzenbleiben und anderen Selektionsmechanismen muss es seines Erachtens soziale Integration geben. Der Zusammenhang zwischen Schulerfolg und sozialer Herkunft kann damit überwunden werden, ist er überzeugt.

Dass Lehrer durchaus Respekt haben vor die Aufgabe, mit heterogenen Leistungsgruppen zu arbeiten, wurde in der Diskussion deutlich aber genauso klar zeigte sich die Bereitschaft, an dieser Aufgabe mitzuarbeiten. Große Zweifel gibt es aber, ob das bei den derzeitigen Verhältnissen möglich ist. „In Klassen mit 33 Schülerinnen und Schülern kann man keine individuelle Förderung betreiben“, brachte es ein Lehrer aus dem Gymnasium auf den Punkt und in Hinblick auf die dringend notwendigen Ressourcen stellte er die Frage, auch an den anwesenden Oberbürgermeister Dr. Herbert Zinell: „Was ist uns unsere Jugend wert?“

Der Oberbürgermeister machte deutlich, dass die Bemühungen des Gemeindetages für eine stärkere Kommunalisierung der Schule und für eine passgenaue Bildungspolitik vor Ort unterstützt. Genauso klar wies er aber darauf hin, dass das Land die Mittel zur Verfügung stellen muss, die notwendig sind, damit die Schulträger ihre Aufgaben erfüllen können.

 

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