Klaus Eisenhardt: Es ist höchste Zeit für ein SPD-Mandat

Veröffentlicht am 08.02.2011 in Interview
 

Klaus Eisenhardt (von links) und Mirko Witkowski.

Schramberg. Klaus Eisenhardt ist Landtagskandidat und SPD-Kreisvorsitzender. Mirko Witkowski hat mit ihm über seinen Wahlkampf, seine Pläne und Ziele gesprochen.

Du bewirbst Dich für die SPD im Landkreis Rottweil für den Landtag. Unsere Mitglieder wissen natürlich, dass Du unser Kreisvorsitzender bist. All diejenigen, die Dich noch nicht so gut kennen, möchten natürlich mehr über Dich wissen. Wann und wo bist Du geboren, wo bist Du zur Schule gegangen, wie und was hast Du studiert, hast Du eine Familie und was machst Du, wenn Du Dich gerade nicht mit Politik beschäftigst?

Geboren bin ich 1962 in Stuttgart und aufgewachsen in Renningen, einer Kleinstadt im Kreis Böblingen. Dort habe ich nach der Grundschule zuerst die Realschule besucht und danach auf dem TG das Abitur gemacht. Nach Wehr- und Zivildienst – ich habe während der Bundeswehr verweigert – habe ich in Tübingen Erziehungswissenschaften studiert. Später kam noch ein berufsbeglei¬tendes BWL-Studium dazu.
Gearbeitet habe ich zunächst für 1 ½ Jahre in einem diakonischen Alten- und Pflegeheim, bis ich meinen Traumjob bekam: Bildungsreferent und kurz danach Landesgeschäftsführer eines Jugendverbandes, der Landjugend Württemberg-Baden. Nach 12 Jahren dort wurde ich auf Wunsch des damaligen Bauernpräsidenten Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Landesbauernverband. Mit unserem Umzug in den Kreis Rottweil und dem fast zeitgleichen Abschluss des BWL-Studiums habe ich mich dann als Berater für Nonprofit Organisationen selbständig gemacht.
Heute lebe ich mit meiner Ehefrau Elke Bäuerle in Vöhringen und wenn ich nicht beruflich oder für die SPD unterwegs bin, gehen wir gerne gemeinsam klettern, bergsteigen, wandern und im Winter langlaufen.

Was hat Dich bewogen, in die Politik einzusteigen und wie bist Du zur SPD gekommen?

Ich war eigentlich immer schon ein politischer Mensch. Bei uns zuhause wurde viel über Politik geredet. Erstmals engagiert habe ich mich dann in der Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung. Eingestiegen bin ich ca. 1982 mit der Gründung einer Friedensgruppe und der Mitorganisation von Friedensdemos. Damals war ich politisch nahe bei den frisch gegründeten „Grünen“, wollte mich aber nicht in Parteistrukturen einbinden lassen.
Für die SPD habe ich mich 1991 entschieden. In der Zwischenzeit hatte eine gewisse Entfremdung mit den „Grünen“ stattgefunden und spätestens als die ihren linken Flügel kaltgestellt hatten, hatte ich genug.

Aktuell haben wir im Landkreis Rottweil weder einen Bundestagsabgeordneten, noch einen Landtagsabgeordneten. Dennoch anzutreten und dann auch noch so viel Energie aufzubringen, ist schon eine besondere Leistung. Was treibt Dich an?

Genau das. Ich habe den Eindruck, dass es höchste Zeit wird, wieder einmal ein SPD-Mandat für den Kreis Rottweil zu holen. Mein Ziel ist es, der SPD im Kreis Rottweil wieder mehr Leben einzuhauchen und dazu braucht es einfach auch die direkte Möglichkeit, ins politische Leben in Stuttgart und/oder Berlin einzugreifen. Am Landtagswahlkampf gefällt mir, dass ich den Einzug in den Landtag durch einen guten Wahlkampf wenigstens ein bisschen direkt beeinflussen kann. Im Bundestagswahlkampf bin ich auf Gedeih und Verderb auf meinen Listenplatz angewiesen – und den wählt ein Landesparteitag. Ob ich in den Bundestag einziehe, hängt nicht einmal entfernt von der Qualität meiner Arbeit vor Ort und meinem Wahlkampf ab. Das halte ich für einen Fehler. Ich stehe zum Leistungsprinzip.

Was sind für Dich die Kernthemen im Wahlkampf und was sind Deine wichtigsten Ziele im Falle einer erfolgreichen Wahl in den Landtag?

Meine Kernthemen sind:
1) Bildungspolitik. Unsere Ziele dort sind, denke ich, so bekannt, dass die Nennung reicht.
2) „Infrastruktur in ländlichen Räumen“. Ich stelle eine mehrfache Zentralisierung oder, wie Herbert Zinell sagen würde, Provinzialisierung, fest. Innerhalb des Landkreises Rottweil fällt das westliche Kreisgebiet mit Schramberg im Mittelpunkt, einer schleichenden Schwächung zum Opfer: Verwaltungsreform, Abzug von Behörden und womöglich bald das „Aus“ fürs Krankenhaus. Alles konzentriert sich zunehmend auf die Kreisstadt. Das kann nicht unser Ziel sein. Wir brauchen einen starken Kreis und nicht nur eine starke Kreisstadt. In der Region SBH sehe ich ein zunehmend stärker werdendes Oberzentrum VS, das den Kreis Rottweil bisher eher schwächt als stärkt. Drittens werden die sogenannten „Metropolregionen“ wie Stuttgart in meinen Augen immer stärker und attraktiver. Nicht nur im Bereich Sulz sind wir nicht in der Lage, den ambitionierten, gut ausgebil¬deten und studierten jungen Einheimischen genügend adäquate Arbeitsplätze anzubieten. So verlieren wir viele potenzielle Leistungsträger, von denen nicht nur die Firmen leben, sondern auch Vereine, Initiativen,....
3) Wirtschaftspolitik. Hier müssen wir im bundesweiten Vergleich wieder aufholen und vor allem Zukunfts- und Schlüsselbranchen besetzen. Als „Auto-Ländle“ muss es uns doch ein Anliegen sein, bei alternativen Antriebskonzepten mit vorne zu sein. In der Elektromobilität, die als Antriebskonzept der Zukunft gilt, steht die Entwicklung leistungsfähiger Speichermedien im Vordergrund. Das hat die Landesregierung jetzt erst gemerkt. In Baden-Württemberg gibt es derzeit keinen Lehrstuhl für dieses Thema. Unterstützen kann die Politik diese Entwicklungen durch die gezielte Unterstützung der Forschung in diesem Bereich, Förderprogramme und der Ein-richtung von Forschungshäusern, die als Schnittstelle zwischen Mittelstand und Forschungseinrichtung fungieren. Viele unserer Mittelständler sind zu klein, um direkt mit großen Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten.
4) Energiepolitik. Raus aus der Atomkraft und konsequenter Ausbau aller regenerativen Energien in allen Formen. Für mich ist Pluralität der Schlüssel zum schnellen Erfolg.
5) Arbeits- und Sozialpolitik. Korrektur der Leiharbeitsgesetze, gesetzlicher Mindestlohn, Bürgerversicherung, mehr sozialversicherungspflichtige Jobs.
Was meine Ziele angeht, so gehe ich davon aus, dass ich nur dann Abgeordneter werde, wenn wir insgesamt so stark sind, dass wir auch an der Regierungsbildung beteiligt sind. Für die Fraktion bedeutet dies, dass wir 8-10 der Erfahrensten „verlieren“, weil sie als Minister und Staatssekretäre in die Regierung eintreten werden. Für die Fraktion bedeutet es eine große Kraftanstrengung, diesen Verlust aufzufangen. Ich rechne damit, dass insbesondere die Neuen sich in Windeseile in ihr Sachgebiet einarbeiten müssen, um auf Augenhöhe mitreden zu können. Es darf uns nicht passieren, dass wir schon zu Beginn an Boden verlieren oder den Eindruck erwecken, unfähig zu sein. Einarbeitungszeit wird es also keine geben. Andere Ziele kommen erst dann, wenn wir eine überzeugende Fraktionsarbeit leisten können.

Blicken wir auf die künftige Landesregierung. Natürlich ist es politisch korrekt zu sagen, wir unterhal¬ten uns mit allen demokratischen Parteien. Hand aufs Herz: Welche Koalitionen sind aus Deiner Sicht für die SPD vorstellbar und welche nicht?

Darüber mache ich mir derzeit keine Gedanken und das treibt mich auch nicht um. Unser Ziel muss die Konstellation sein, und da bin ich mit Nils Schmid hundertprozentig einig, in der wir unsere Politik bestmöglich umsetzen können. Das muss der Maßstab sein. Über alles andere mache ich mir Gedanken, wenn die Wahl gelaufen ist.

Stellen wir uns einmal vor, der Regierungswechsel in Stuttgart gelingt tatsächlich. Wie schnell dürfen die Menschen im Land mit spürbaren Verbesserungen rechnen? Wann kommen die Reformen bei der Bildung? Wann findet die Volksabstimmung über Stuttgart 21 statt?

Nicht die Geschwindigkeit ist der Maßstab, sondern die Ernsthaftigkeit und die Konsequenz. Nehmen wir das Beispiel Bildungspolitik. Wenn wir in einer Konstellation regieren, die uns eine parlamentarische Mehrheit für die Einführung einer Gemeinschaftsschule beschert, dann kommt es nicht darauf an, dass wir sie in drei Jahren eingeführt haben, sondern dass wir die Menschen ernst- und mitnehmen, Betroffene zu Beteiligten machen und transparente Prozesse und Entscheidungen garantieren. Wenn das länger dauert, dann ist das so. Das wird auch die Menschen nicht stören, wenn sie merken, dass wir zielstrebig auf ein gutes Ergebnis zusteuern.

Blicken wir auf den Landkreis Rottweil. Auch nach der Landtagswahl wird die politische Arbeit weitergehen. Was sind für Dich die zentralen Aufgaben für die SPD im Kreis und wo willst Du künftig die Schwerpunkte setzen?

Unsere Ortsvereine werden tendenziell schwächer, auch wenn in einzelnen durch Eintritte von jungen Menschen Lichtpunkte gesetzt werden. Wir haben in Sulz bspw. in den vergangenen Jahren mindestens 4-5 Junge gewonnen. Das sind gut 10% unseres Mitgliederbestandes. Dennoch müssen wir neue Formen finden, mit denen wir Menschen ansprechen und binden können. Die klassische Ortsvereinsarbeit, in der sich die Genoss/innen regelmäßig zu Sitzungen treffen,scheint mir, verliert an Bedeutung. Das wollen viele Menschen nicht mehr. Heute ist mehr die gezielte Auseinandersetzung mit Themen interessant, die die Menschen persönlich bewegen oder betreffen. Darauf müssen wir uns einstellen. Ich bin der Überzeugung, dass wir dann eine Chance haben, wenn wir Arbeitskreise anbieten, die Genoss/innen, aber auch andere Interessierte, unabhängig von einer aktiven Mitarbeit im Ortsverein ansprechen. Über die Mitarbeit in solchen Arbeitskreisen sehe ich dann wiederum Chancen, Interessierte auch in die Ortsvereine zu bringen. Wir müssen, wenn man so will, die Arbeit „Vom Kopf auf die Beine stellen“.
Und dann sollten wir uns daran gewöhnen, dass nichts für die Ewigkeit gemacht ist, d.h. wenn bestimmte Veranstaltungen nicht mehr laufen und bestimmte Angebote nicht mehr nachgefragt werden, dann beendet man sie und sucht nach neuen Angeboten, die attraktiver sind.
Kurz und gut: Den schon gegründeten Arbeitskreis Bildung ausbauen, die Juso AG stabilisieren, den Genoss/innen attraktive Kreisveranstaltungen anbieten und nach weiteren Möglichkeiten Ausschau halten, Menschen an die SPD zu binden und aus Genoss/innen aktive Genoss/innen zu machen.

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass es im Landkreis Rottweil keinerlei Kreisbewusstsein gibt. Man muss da leider eher von drei Regionen oder Bereichen sprechen. Auch bei der SPD-Kreistagsfraktion und beim SPD-Kreisverband hatte ich lange den Eindruck, dass der eine oder andere nicht so recht gewillt war, sich engagiert für den Erhalt des Schramberger Krankenhauses einzusetzen. Wie ist Deine Position beim Thema Krankenhaus?

Ich habe immer für eine kommunale Lösung mit dem Erhalt des Standorts Schramberg plädiert. Die Ereignisse der vergangenen Monate haben mich allerdings ernüchtert. Wir sind ja jetzt in der Situation, dass wir auf jeden Fall eine Privatisierung bekommen werden. Auch hier gilt für mich, dass der Erhalt des Standorts Schramberg Priorität hat. Auch deshalb, weil der Verlust des Krankenhauses einen weiteren Attraktivitätsverlust für Schramberg und die umliegenden Gemeinden bedeuten würde.

Schramberg ist das einzige Mittelzentrum in ganz Baden-Württemberg ohne eigenen Bahnanschluss. Da es sicherlich in den nächsten Jahrzehnten in diesem Punkt keine Veränderung geben wird, sind vernünftige Straßenverbindungen umso wichtiger. Was ist Dein Beitrag für die Talumfahrung und die Sanierung der kaputten Landesstraßen – unter anderem in der Schramberger Talstadt?

Die Frage beantwortet sich eigentlich durch meinen politischen Schwerpunkt „Infrastruktur in ländlichen Räumen“. Wir brauchen die Straße. Das ist insbesondere in Schramberg die Verbindung zur Welt. Ich stehe dazu, dass in den kommenden Jahren in die Sanierung der Landesstraßen erheblich investiert werden muss. Vor allem die Ost-/West-Verbindungen müssen in unserer Region besser ausgebaut werden. Dazu gehört auch die Talumfahrung in Schramberg.

Unser Oberbürgermeister Herbert Zinell spricht mit einiger Sorge von der Provinzialisierung der Provinz. Sprich: Immer mehr staatliche und private Einrichtungen brechen weg. Wie stellt Du Dir, wie stellt sich die SPD im Kreis hier eine Verbesserung vor?

Ich glaube, es gibt zwei Ansatzpunkte:
1) Die heutige Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Verwaltungsebenen muss vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips neu überdacht werden. Der Grundsatz, nach dem alle Aufgaben auf der niederstmöglichen Ebene erledigt werden sollen, die dazu geeignet ist, stellt sich im Zeitalter der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten doch ganz anders dar als noch vor 10-20 Jahren. Heute kann ein Bürgermeisteramt viel mehr Aufgaben erledigen als früher – und das zum Nutzen der Bürger, denen u.U. weite Wege erspart werden können. Also muss man sie auch von Landes- oder Kreisebene weg auf die Ebene der Kommunen delegieren.
2) Eher eine Utopie: Es wäre hilfreich, wenn es eine Institution gäbe, die die Standortpolitik von Behörden in Landkreisen und Regionen koordiniert, so dass bspw. Konzentrationsprozesse nicht einseitig zu Lasten nur einer Stadt oder Region gehen. Konkret würde es helfen, wenn im Kreistag eine Konzeption erarbeitet würde, die verschiedene Entwicklungsszenarien für den Kreis und seine Bereiche zeichnet. Denn das ist ja auch im Zusammenhang mit den Krankenhäusern unser Hauptproblem, dass die Standortfrage völlig isoliert von infrastrukturellen Entwicklungen diskutiert wird.

Auch die Internetverbindungen sind in unserem Landkreis teilweise nicht so ausgelegt, wie dies drin¬gend erforderlich wäre. Wie lange müssen die Menschen und Firmen in den betroffenen Bereichen noch auf eine Verbesserung warten?

Ganz einfach: Bis sie einer bezahlt. An dieser Stelle können wir ein „Hoch“ auf die Privatisierung von Einrichtungen, die der Daseinsvorsorge dienen, ausbringen. Eine kommerzielle Telekom baut eben nur dort Leitungen, wo sie rentabel sind. Jetzt gibt es vom Bund und vom Land Gelder, Breitband in die Dörfer zu holen. Nach Aussage eines Bürgermeisters, mit dem ich mich neulich unterhielt, kann man die jedoch nur abrufen, wenn man eine ordentliche Ausschreibung macht. In seinem Bereich ist es so, dass es in manchen Dörfern nur einen Anbieter gibt, der bereit wäre, die Kabel überhaupt zu verlegen. Für den lohnt es sich aber nicht, in ein Ausschreibungsverfahren zu gehen. Kein Ausschreibungsverfahren, kein Geld,....

 
 

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