Deutschland und die Türkei nach dem Referendum

Veröffentlicht am 26.05.2017 in Ortsverein
 

Schrambergs SPD-Vorsitzender Mirko Witkowski, Diplom-Politologe Efe Ural und der SPD-Kreisvorsitzenden Torsten Stumpf.

Schramberg (gn). Der SPD-Kreisverband Rottweil und der Ortsverein Schramberg diskutierten bei einem Themenabend über die Beziehung von Deutschland und der Türkei nach dem Referendum zur Änderung der Verfassung in der Türkei. Das Impulsreferat wurde vom Diplom-Politologen Efe Ural gehalten.

Mirko Witkowski, Vorsitzender der Schramberg SPD, freute sich viele Gäste begrüßen zu dürfen und skizzierte kurz den Anlass des Abends: „Wir leben Tür an Tür mit unseren türkeistämmigen Nachbarn, machen Urlaub in der Türkei und viele von uns haben Freude, deren Heimatland die Türkei ist. Doch dann das Ergebnis des Verfassungsreferendums und die daran anschließenden brennenden Fragen: Kennen wir uns wirklich? Wie nah oder fern sind wir uns? Wie passen unsere Kulturen zusammen? Wie können wir den gemeinsamen Weg weitergehen? Diese Fragen wollen wir heute diskutieren.“

Efe Ural ist 1987 in Schramberg geboren und auch dort aufgewachsen. Heute lebt er in Stuttgart-Degerloch. Er absolvierte das Studium der Politikwissenschaft an der Universität Bamberg. Aktuell arbeitet er hauptamtlich bei der Türkischen Gemeinde in Baden-Würrtemberg. Er leitet bundesministerial geförderte Projekte. SPD-Mitglied ist er seit 2005.

In einem kurzen Impulsreferat gab Efe Ural einen Überblick über das Thema. Nach dem von Erdogan angesetzten Referendum sei der Präsident der Türkei auch Regierungschef, er dürfe nun Minister ernennen und habe Gesetzgebungskompetenz hinzugewonnen. Gegen das Parlament habe er nun ein Veto-Recht. Das Prinzip des Misstrauensvotums würde abgeschafft. Das Parlament habe nur noch die Möglichkeit ihre Anfragen an den Vizepräsidenten oder an Minister einzureichen, welche wiederum direkt vom Präsidenten ernannt werden.

Efe Ural fasst die Situation weiter zusammen und erklärte, dass in der Türkei die Rechte von Kritikern eingeschränkt würden. Die AKP habe sich leider von einer islamisch-konservativen Partei zu einer islamisch-nationalistischen Partei entwickelt. Die Türkei insgesamt entwickelt sich immer weiter in ein autokratisches System. Wirtschaftlich und politisch ist die Gesellschaft gespalten. Der EU-Beitritt stehe leider kurz vor dem Ende.

Unverständlich für viele Teilnehmer der Veranstaltung war vor allem, warum so viele der in Deutschland lebenden Türken für die Verfassungsreform gestimmt hatten. Es könne ja nicht, sein, dass man hier in Deutschland die Segnungen der Demokratie genießt, diese aber den Menschen in der Türkei nicht gönnt.

Efe Ural versuchte das zu erklären. Erdogan habe die Opferrolle, in der sich viele Deutschtürken sehen, gut bedient. Er habe sich als derjenige verkauft, der die Menschen versteht und der helfen kann. Erdogan habe einen populistischen Wahlkampf betrieben, er habe sich als starker Mann präsentiert und auf die durchaus erfolgreiche infrastrukturelle Entwicklung in der Türkei verwiesen. Das gepaart mit einem allgemeinen Vertrauensverlust in die Politik habe dazu geführt, dass viele ihn gewählt hätten. Eine schleichende Entdemokratisierung sei von den Wählern dabei billigend in Kauf genommen worden. Ähnliche Muster gebe es auch bei Wählern anderer populistischer Parteien, wie beispielsweise der AfD.

Insgesamt wollte Efe Ural das Ergebnis nicht schönreden, er verwies aber darauf, dass nur 13 Prozent der in Deutschland lebenden Türken mit „Ja“ gestimmt hätten. Auf dieses Ergebnis kommt man, wenn man alle rausrechnet, die nicht wählen durften, oder die nicht zur Wahl gegangen waren.

Auf die Frage, warum so wenige Türken in Deutschland sich überhaupt an der Wahl beteiligt hatten, antwortete Efe Ural, dass durch die zentralisierte Wahl, der Weg in die jeweiligen Wahllokale relativ weit war. Für einige Familien sei die Fahrt vielleicht zu teuer gewesen.

Efe Ural forderte, dass die SPD sich für die Opposition in der Türkei stark machen müsse. Die Schwesterparteien in der Türkei müssten gestärkt werden. Durch Besuche vor Ort könne Symbolpolitik betrieben werden.

Auf die Frage, was man den tun könne, um die hier lebenden Türken besser zu integrieren antwortete Ural, dass es besser sei mit den Menschen zu reden als über sie. Man solle ihre Sorgen, Ängste und manchmal ihren Groll wahrnehmen und ins Gespräch kommen. Lobende Worte fand Efe Ural für eine Initiative der Schramberger SPD. In einem Antrag an den Landesparteitag hat man das Kommunale Wahlrecht für hier lebende Ausländer gefordert. Der Landesparteitag hat diesen Antrag einstimmig gebilligt. Dieses Wahlrecht sei sehr wichtig, sagte Efe Ural, wenn man keinen Zugang zur Demokratie bekomme, sei die Lust mitzumachen auch nicht besonders groß.

 
 

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